Wann wird man als Psoriatiker als chronisch krank anerkannt?
Wer in der gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, muss sämtliche, gesetzlich festgelegten Zuzahlungen erst einmal selbst bezahlen: Praxisgebühren, Zuzahlungen für „erstattungsfähige“ Medikamente, Heilmittel, Hilfsmittel, Krankengymnastik, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, stationäre Unterbringung u.ä.
Die Gesetzgeber halten es für zumutbar, dass eine Familie, die in einem Haushalt lebt, pro Jahr 2 Prozent ihres Einkommens für Zuzahlungen aufwendet. Da nicht das Netto-, sondern das Bruttoeinkommen zählt, muss man als Normalverdiener schon ziemlich hohe Ausgaben haben, um diese „Belastungsgrenze“ überhaupt zu überschreiten. Anders bei Auszubildenden oder Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, bei Empfänger von Arbeits–losengeld II, Sozialgeld oder Grundsicherung. Diese Patientengruppen erreichen sehr schnell die 2 %-Grenze.
Überschreiten alle Zuzahlungen die Einkommensgrenze, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt sich bei seiner Krankenkasse für den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen befreien. Oder man sammelt alle Belege und holt sich das Geld am Anfang des kommenden Jahres von der Krankenkasse wieder zurück.
Die meisten lassen sich befreien und erhalten dazu von ihrer Krankenkasse eine Karte. Damit weisen sie bei der Apotheke, dem Krankenhaus oder der Physiotherapeutin nach, dass sie von der Zuzahlung befreit sind.
„Chronisch Kranke“ müssen pro Jahr nur 1 Prozent ihres Bruttoeinkommens als Zuzahlung leisten. Diese verminderte Belastungsgrenze muss bei der Krankenkasse beantragt werden. Dort erhält man ein Formular, das der behandelnde Arzt ausfüllt. Die Krankenkassen haben ihre jeweils ihre eigenen Vordrucke.
Aber diese Regelung gilt nicht für jeden, der im medizinischen Sinn „chronisch krank“ ist. Da würde den Krankenkassen zu viel Geld verloren gehen. Deshalb hat der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen(entgegen dem eindeutigen Gesetzestext!) festgelegt: Die 1-prozentige Belastungsgrenze gilt nur für „schwerwiegend“ chronisch Kranke. Dazu gehören Patienten, die wegen derselben Krankheit dauerhaft in Behandlung sind undmindestens einmal im Quartal den Arzt aufsuchen müssen undeines der folgenden Kriterien erfüllen:
a) 60 Prozent behindert oder erwerbsgemindert (§ 30 BVG, § 56 Abs. 2 SGB VII) oder
b) in Pflegestufe zwei oder drei eingestuft (2. Kapitel SGB XI) oder
c) auf eine kontinuierliche medizinische Versorgung angewiesen, um zu verhindern,
• dass sich die Krankheit lebensbedrohlich verschlimmert oder
• dass sich die Lebenserwartung vermindert oder
• dass die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtig ist.
Psoriatiker, die weder schwer behindert noch pflegebedürftig sind, müssen ihrem Arzt deutlich zu machen, wie stark ihre Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigt wäre, wenn sie nicht ärztlich versorgt werden würden:
- Wer deutlich sichtbare Plaques hat, traut sich nicht, am öffentlichen Leben teilzunehmen, weil er nicht angestarrt oder abgelehnt werden will
(persönliche Beispiele aufzählen aus Beruf, Familien, Sport, Kultur, Vereinsleben, Einkaufen und Bezahlen). - Wer deutlich sichtbare Plaques hat, ist gehemmt, neue Partner oder Freunde kennen zu lernen und seine sozialen Kontakte zu pflegen.
- Wessen Schuppen in Beruf und in der Öffentlichkeit auffällig herabfallen, der fühlt sich unsicher und meidet Kontakte.
- Wer unter Juckreiz leidet, schläft nachts schlecht, ist am nächsten Tag unausgeschlafen und weniger leistungsfähig bzw. macht Fehler und ist unausgeglichen.
- Wer unter Juckreiz leidet kratzt sich die Stellen blutig, versucht diese offenen Wunden zu verbergen und muss mit Infektionen rechnen.
- Wer unter Psoriasis Arthritis leidet, kann sich viel schlechter oder kaum noch bewegen, kann viele notwendigen Handgriffe im Haushalt, aber auch bei der Freizeitbeschäftigung nicht oder nur eingeschränkt unter Schmerzen ausführen.
Wer seinem Arzt genau berichten will, wie seine persönliche Lebensqualität eingeschränkt ist, sollte sich gut vorbereiten, d.h. vorher alle Punkte aufschreiben. Man neigt dazu zu verdrängen, wie erheblich die Psoriasis ins eigene Leben eingreifen kann.
Lehnt die Krankenkasse den Antrag ab, muss dagegen Widerspruch eingelegt werden. Dazu hat man einen Monat ab Zustellung Zeit. Hat die Krankenkasse nicht darauf hingewiesen, wie der Ablehnung widersprochen kann (Rechtsmittelbelehrung), muss man erst innerhalb eines Jahres widersprechen. Der Widerspruch geht an den Widerspruchsausschuss der Kasse. Wird der Antrag erneut abgelehnt, kann man dagegen innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Ablehnung beim Sozialgericht klagen. Widerspruchsverfahren und die Klage beim Sozialgericht kosten nichts, es sei denn, man schaltet einen Anwalt ein.
Es geht auch ohne Anwalt. Dabei helfen:
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Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD),
Beratungstelefon: 0800 011 77 22 (gebührenfrei aus allen Netzen), montags bis freitags von 8.00 bis 22.00 Uhr und samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr.
www.patientenberatung.de/de#Online-BeratungPatientenberatung beim Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD)
Tel. 030 / 72 62 22 40 4 und Tel. 030 / 29 04 71 05
mailto:berlin@patientenstelle.info, (auch in Magdeburg und Hannover)V.i.S.d.P. Rolf Blaga