Psyche und Psoriasis

Mit der Krankheit leben, ohne zu verzweifeln

Immer wieder wird gefragt, ob Schuppenflechte (Psoriasis) „psychisch bedingt“ sei. Betroffene erhoffen sich, sie könnten mit Psychotherapie ihre chronische Hautkrankheit behandeln. Sie werden von traditionellen Psychologen darin bestätigt. Die verstehen Auto-Immun-Krankheiten als Ausdruck psychischer Störungen. Es müssten deshalb die Probleme bearbeitet werden, die die Krankheit verursacht hätten. Neuro-Biologen dagegen fanden ganz andere Zusammenhänge: Sie haben festgestellt, dass das Immunsystem für Entzündungen und dauerhaften Stress die gleichen Botenstoffe aktiviert. Deshalb käme es darauf an, möglichst früh zu verhindern, dass sich die Psoriasis ausbreitet. Die Betroffenen sollten lernen, trotz ihrer Psoriasis gesund, zielgerichtet und möglichst stressfrei zu leben.

Schuppenflechte ist eine Auto-Immunkrankheit. Bestimmte Eiweiße werden vom Immunsystem fälschlicherweise als Krankheitserreger (Anti-Gen) eingeordnet und mit Entzündungen bekämpft. Im Laufe der Zeit „lernt“ das Immunsystem, dass es auf diese Moleküle reagieren soll. Es entwickelt sich ein „Entzündungs-Gedächtnis“. Das ist umso intensiver ausgeprägt, je länger und stärker jemand an Psoriasis erkrankt ist.

Die Veranlagung zu diesem Immun-Defekt kann vererbt werden. Trotzdem haben die allermeisten nicht von Geburt an Psoriasis. Sie tritt erst im Laufe des Lebens auf. Es gibt „Trigger“, die eine Psoriasis erstmalig auslösen und dann verstärken können. Dazu gehören z.B. Infektionen, Medikamente oder Lebensmittel – aber auch einschneidende, traumatisierende Lebens-Ereignisse und negativer Stress. Betroffene berichten, ihre Psoriasis sei erstmals ausgebrochen, als sie z.B. von der Partnerin verlassen wurden oder ein naher Angehöriger gestorben ist. Andere beobachten immer dann neue Schübe auf ihrer Haut, wenn sie unter psychischen Druck stehen.

Wer an Schuppenflechte erkrankt ist, kann im Alltag wie auch in seinen sozialen Beziehungen erheblich eingeschränkt sein. Je nach Ausmaß der Krankheit ist man besorgt und hat Angst vor dem nächsten Schub oder einer Verschlimmerung. Man leidet unter abwertenden Blicken und Bemerkungen oder fühlt sich abgelehnt („Stigmatisierung“). Viele schämen sich, damit in die Öffentlichkeit zu gehen und meiden den Kontakt mit Menschen.

Das kann zu drastischen beruflichen und privaten Folgen führen. So etwas beeinflusst Psyche und Persönlichkeit und führt zu Stress. Wird der chronisch, ist das Gehirn nicht mehr in der Lage, die nötige Energie (Glukose) selbst aufzubringen und greift in den Insulin-Haushalt ein. Das wiederum fördert die Neigung zu kohlenhydrat- und fettreicher Ernährung, Alkohol- und Nikotin. Stress aktiviert die gleichen Botenstoffe, wie eine Entzündung und kann damit auf Dauer eine Depression auslösen.

Psoriatiker sind etwa 2-3 x häufiger von Depression, Ängsten und Selbsttötungs-Gedanken betroffen, als der Bevölkerungsdurchschnitt. Depressionen gelten inzwischen als typische Begleiterkrankung der Schuppenflechte. Generell sind etwa ab dem 30. Lebensjahr neuro-psychologische Veränderungen bei Menschen mit Schuppenflechte beobachtet worden.

Das sind alles Gründe, eine aufkommende Schuppenflechte so frühzeitig und so effektiv wie möglich zu behandeln. Damit können Sie vermutlich am besten psychischen Folgen entgegenwirken. Aber genauso wichtig ist es, therapie-begleitende Maßnahmen zu ergreifen: gesund zu essen („Mittelmeer-Diät“), sich ausreichend zu bewegen (möglichst Sport), sich zu entspannen und vor allem sinnvoll zu leben. Dazu gehört, die Krankheit zu akzeptieren, sich zu engagieren, positive Gefühle zu entwickeln, angenehme Momente zu genießen, guttuende Beziehungen zu pflegen und sich selbst Ziele zu setzen. Also insgesamt seinem Leben einen Sinn geben – trotz Krankheit! Das müssen Sie nicht allein lernen, sondern können auf entsprechende Hilfsangebote oder Selbsthilfegruppen zurückgreifen.

Es ist bewiesen, dass Gefühle, Erwartungen oder seelische Spannungen das körpereigene Abwehrsystem beeinflussen. Unsere Gesundheit und der Verlauf von Krankheiten hängen wesentlich davon ab, wie wohl wir uns fühlen. Der Körper reagiert auf Gefühle. Das können negative sein wie Stress, Einsamkeit, Trennung, Tod eines Partners, Depressionen, aber auch positive wie Lebensziele, Glück oder Liebe. Wer dem Leben positiv gegenübersteht, wird nicht so schnell krank oder schneller wieder gesund. Die Gemütsverfassungen des Gehirns werden durch Botenstoffe an das Immunsystem gemeldet. Das heißt, eigentlich kann jeder seine Gesundheit in gewissen Grenzen beeinflussen. Leider aber ist es noch niemanden gelungen, allein durch positives Denken oder Anti-Stress Training eine chronische Krankheit wie Psoriasis deutlich zurückzudrängen, geschweige denn zu heilen.

Inzwischen weiß man, wie stark Psoriatiker in ihrem Leben eingeschränkt sein können und wie erheblich viele unter ihrer Krankheit leiden. Zu den psychischen Belastungen gehören vor allem
• das Gefühl, von der Umwelt gemieden zu werden,
• keinen Partner zu finden,
• beruflich oder schulisch eingeschränkt zu sein,
• Freizeit- und andere soziale Aktivitäten zu meiden,
• als unsauber zu gelten wegen der vielen Schuppen auf der Kleidung,
• zu Hause viel Zeit für die Behandlung aufwenden zu müssen,
• sich zu schämen oder etwas peinlich zu finden,
• generell unsicherer und weniger selbstbewusst zu sein.

Psoriasis kann das Leben erheblich einschränken. Manche verzweifeln und einige zerbrechen an dieser Krankheit. Fast alle werden in ihrem alltäglichen Leben beeinflusst. Einige stellen ihre Bekleidung darauf ein. Viele leiden unter Schlafstörungen, auch wegen des Juckreizes. Andere haben ihre Aktivitäten eingeschränkt und jeder Vierte hat schon an Selbsttötung gedacht.

Folgen dieser Belastungen können sein:
• Alkoholismus,
• Depression,
• Selbsttötung,
• Fettleibigkeit.

Aber wer es schafft, seine Psyche zu stärken, sich Lebensziele zu setzen und zur Ruhe zu kommen, bewirkt bei sich selbst eine positive Grundstimmung. Es kommt darauf an, sich nicht selbst verrückt zu machen, nicht ständig vor dem Spiegel zu stehen und an der Psoriasis zu verzweifeln. Sie sollten lernen, mit ihrer Schuppenflechte verantwortlich zu leben, d.h. ihr die Zeit einzuräumen, die sie uns fürs Einschmieren oder Bestrahlen abverlangt. Sie sollten sich als mündige Patienten außerdem darum kümmern, welche Behandlungen möglich sind und welche neuen Erkenntnisse es gibt. Vor allem sollten Sie die Psoriasis nicht permanent vor anderen verstecken, sondern sie Ihren Mitmenschen als „normale Haut-Erkrankung“ erklären.

Erfahrungsgemäß können die meisten Menschen in unserer Umwelt durchaus mit Hautkrankheiten umgehen, auch wenn Sie selbst denken, die müssten sich doch eigentlich vor Ihnen ekeln. Wenn Sie Ihre so offensichtliche Krankheit nicht verdrängen, sondern sie an sich selbst akzeptieren, haben Sie einen ersten Schritt getan, um Ihre eigene Seele zu stärken! Das ist aber leichter gesagt, als getan!

Lange Jahre haben Psychologen argumentiert, jede Krankheit wäre der körperliche Ausdruck psychischer Probleme. Es wurde gefragt, was die Schuppenflechte uns in der „Körpersprache“ sagen will. So entstand der Spruch, die „Haut als Spiegel der Seele“ zu verstehen. Mit seiner Haut grenze sich der Mensch der Umwelt gegenüber ab und schütze sich vor Verletzungen. Seine Haut berühre andere und nehme Kontakt auf. Auf der Haut spürten wir Zärtlichkeit bis hin zu erotischen Gefühlen.

Psoriatiker hätten (und seien) eine „empfindliche Haut“. Ihre Haut verlange danach, berührt oder gestreichelt zu werden. Sei niemand da, werde das Verlangen durch Kratzen befriedigt. Dadurch werde die Haut doch noch beachtet und berührt, wenn auch negativ. Menschen mit Schuppenflechte hätten Angst davor verletzt zu werden und seien in ihrem Inneren sehr empfindlich. Sie würden ihre Gefühle und ihr inneres Erleben nicht wahrnehmen. Diese Probleme solle die Haut lösen. Oder: Der Juckreiz weise darauf hin, dass die Psoriatiker etwas „kratzt“, was sie bisher übersehen hätten. Menschen mit Schuppenflechte sollten deshalb solange in ihrem Bewusstsein kratzen, bis sie gefunden hätten, was sie störe.

Das sind Beispiele dafür, wie einer Krankheit „typische“ psychologische Probleme zugeordnet werden. Das kann zutreffen, muss aber nicht. Streng wissenschaftlich gesehen sind solche Aussagen eher spekulativ!

Ähnlich verhält es sich mit der Methodik des „Krankheitsgewinns“: Patienten sollen herausfinden, was die Schuppenflechte Ihnen „erlaubt“, was sie sich bewusst nie gestatten würden. So würde jemand, der sich eigentlich nie Zeit für sich nimmt, das über die Haut lösen: Die verlangt nämlich, zeitaufwendig eingeschmiert zu werden oder stundenlang in der Sonne zu liegen. Manche sind eher häuslich, anstatt regelmäßig auszugehen.  Um das nicht zugeben zu müssen, würden sie auf ihre sichtbaren Hauterscheinungen verweisen. Aber selbst wenn jemand nach so einer Analyse sein Leben ändert: Die Schuppenflechte kann man damit nicht „heilen“.

Seien Sie skeptisch, wenn jemand behauptet, Psoriasis habe rein psychische Ursachen. Misstrauen Sie Aussagen, die Ihre Krankheit als „Botschaft“ Ihrer ungelösten Probleme darstellen. Manchmal erkennen wir uns darin wieder, manchmal trifft es überhaupt nicht zu. Wissenschaftlich nachgewiesen sind sie nicht. Solche Deutungen nehmen uns nicht die Arbeit ab, für uns selbst herausfinden, wie und in welchen Bereichen wir psychische Probleme angehen sollten. Wer es schafft, nicht mehr (nur) unter seiner Schuppenflechte zu leiden, hat gute Chancen, mit ihr lange und in Frieden zu leben. Die Selbsthilfegruppe hilft Ihnen dabei oder ein guter Psychotherapeut.

Eine Psychotherapie sollte man nicht von außen „verordnet“ bekommen. Die typischen Pflicht-Gespräche beim Psychologen während des Klinikaufenthalts sind meist nicht sehr ergiebig. Sie selbst müssen sich innerlich klar entschieden haben, dass das jetzt der richtige Weg für Sie ist! Nur dann sind Sie auch bereit, psychologische Ratschläge anzunehmen.

Es gibt viele verschiedene Richtungen und Ansätze in der Psychologie. Bevor Sie sich für eine entscheiden, sollten Sie sich darüber gut informieren. Beim Hausarzt, dem Dermatologen oder der Krankenkasse. Als Orientierung sollten Sie vorher festlegen, was Sie selbst mit einer Therapie erreichen wollen. Danach entscheidet sich, welche psychotherapeutische Richtung für Sie geeignet sein könnte. Nicht für jede übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten. Derzeit werden bezahlt: Verhaltenstherapie, analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.

Siehe: Psychotherapie: Die Verfahren im Überblick (Apotheken Umschau)